Xx, §. 8. Verdunkelung des Glanzes unter den letzten Ottonen. 379
geistreiche und ehrgeizige Wittwe. Beide Frauen führten durch Hülfe
des trefflichen Willigis, Erzbischof von Mainz, das Reichsregiment
mit einer Umsicht und Festigkeit, daß es nur einiger großer Thaten
des jungen Königs bedurft hätte, um schnell den Kaiserthron wieder
mit seinem frühern Glanze zu umgeben. Aber diese Thaten blie-
den aus. Allzu früh war der wohlunterrichtete königliche Knabe, „das
Wunder der Welt", in die selbständige Verwaltung seines Reiches
eingetreten, allzu unklare und jugendlich überspannte Phantasieen zogen
noch durch seine Seele; er setzte sich Ziele, die er nimmermehr errei-
chen konnte, nicht mehr wollte er Sachse, nicht mehr Deutscher sein;
Grieche von Geburt, Römer durch seine Würde, wollte er Rom wieder
zur Hauptstadt der Welt, sich selbst zum altrömischen Imperator ma-
chen. Mittlerweile aber, während er seine geringe Lebenskraft in
überschwenglichen und unausführbaren Versuchen und Plänen ver-
zehrte, wankte ihm schon der Boden unter den Füßen. Vcrrath und Ab-
fall zeigte sich an allen Orten. Die Dänen hatten die deutsche Herrschaft
abgeworfen, die Wenden das alte Heidenthum wiederhergestellt, Polen,
Böhmen und Ungarn sich der deutschen Oberherrlichkeit — zum Theil
mit Wissen und Willen des „römischen" Kaisers — entzogen. In
Frankreich hatte das neue Königsgeschlecht des Hugo Cap et (seit
987) die letzten Karolinger völlig beseitigt und arbeitete mit Erfolg
daran, das weftfränkische Reich von dem deutschen Einfluß gänzlich zu
befreien. Italien war von der Südspitze bis zu den Alpen in vollem
Aufruhr und kaum konnte die Leiche des kaiserlichen Jünglingö (1002)
den wiederholten Anfällen italischer Kriegsfürsien durch seine Getreuen
entzogen und über die Gebirge in die Gruft seiner Ahnen hinüberge-
rettet werden. Das stolze Gebäude des großen Otto schien mit dem
Tode und durch die Schuld seines Enkels zusammenzubrechen.
Aber wenn auch die äußere Machtfülle des Kaiserthums von den
beiden Jünglingen nicht in ihrem ganzen Umfange gewahrt werden
konnte, so haben sie doch anregend und befruchtend auf die innere Ent-
wicklung des deutschen Geistes und der Kirche eingewirkt. Schon die
Verbindung mit Italien, welche der große Otto eröffnet hatte, die
fortwährenden Römerzüge, an welchen fast alle deutschen Fürsten und
unzähliges Volk sich belheiligten, mußten die Resie der altrömischen
Bildung, die sich noch in Italien erhalten hatten, weithin über die deut-
schen Länder'verbreiten. Dazu kam noch die neuangeknüpfte Verbin-
dung mit dem griechischen Hofe und die Regentschaft dertheophano
und die gelehrte Erziehung, welche der junge Otto empfing. Da
sammelten sich von allen Seiten her gelehrte Männer an dem Hofe des
jungen Kaisers, da fing man wieder an zu studiren, zu schriftstellern,
zu dichten, zu philosophiren. Es wurden wieder künstlerische Versuche
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr]]
TM Hauptwörter (100): [T83: [Karl Heinrich König Otto Sohn Reich Kaiser Sachsen Ludwig Herzog], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz]]
TM Hauptwörter (200): [T132: [König Karl Italien Otto Kaiser Papst Reich Sohn Rom Jahr], T19: [Reich deutsch Kaiser Reiche Zeit Karl Jahr Ende Konstantin groß], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T166: [Mann Volk Sitte Zeit Geist Tapferkeit Wesen Leben Sinn Charakter], T72: [Kloster Kirche Jahr Bischof Kaiser Karl Otto Dom Grab Leiche]]
Extrahierte Personennamen: Vcrrath Otto Otto Otto
Extrahierte Ortsnamen: Mainz Rom Polen Ungarn Frankreich Hugo_Cap Italien Italien Italien
Xxi. §. 8. Die Zeiten des vierten Kreuzzuges. 409
Rückkehr vorüber, so hielt auch der Herr das widerchristliche Reich
nicht mehr aufrecht, sondern übergab es in das Verderben seiner
eignen Sündenschuld. Und als in Folge des Todes Saladin's
noch einmal im Abendland sich die Hoffnung auf bessere Erfolge
regte, als der gewaltige Hohenstaufe Heinrich Vi., Friedrich's
Sohn (1190 — 97), noch einmal einen großen Kreuzzug vorbereitete,
da griff die Hand Gottes wiederum sichtbarlich und wunderbar ein
und legte den kühnsten und mächtigsten der deutschen Kaiser in seiner
frischesten Jugendkraft — in dem Augenblick in den Staub, als seine
Heere begannen, sich nach dem Morgenlande in Bewegung zu setzen.
Schon bei der salischen Kaiserfamilie machten wir darauf auf-
merksam, wie sehr ähnlich ihre Geschichte der des ersten großen Kö-
nigs- und Kaiserhauses, des sächsischen, verlaufen sei. Noch viel auf-
fallender tritt diese Ähnlichkeit bei dem großen Hohenstaufengeschlecht
hervor. So wie Konrad Iii. uns wieder an den vorbereitenden
Heinrich I. und Friedrich I. an die lange, ruhmvolle und von
großen Erfolgen gekrönte Regierung Otto's des Großen erinnert, so
sehen wir in Friedrich's Sohne H einrich Vi. ein genaues Ab-
bild Otto's Ii. Dieselben jugendlichen Jahre, dieselben hochstreben-
den Gedanken, dieselbe geistvolle, obwohl irrende Politik, dieselbe
Richtung ihres Strebens nach Unter-Italien, dasselbe unvermuthete
Hinweggerafftwerden in der Mitte der stolzesten Entwürfe, dieselbe Un-
mündigkeit des hinterlassenen gekrönten Sohnes und der unheilvolle
Streit der langen Vormundschaft. Nur ist bei Heinrich Vi. Alles
noch stolzer, kühner, großartiger, schwunghafter und erfolgreicher, als
bei Otto. Nachdem es Heinrich gelungen war, das Erbreich seiner
Gemahlin Constanze, das schöne Neapel und Sicilien, an sich zu
bringen und somit Italien von einem Ende bis zum andern seiner
Herrschaft zu unterwerfen, fürchtete er sich auch vor keinem Papst
mehr. Denn jetzt war ja den Päpsten ihr bisheriger wichtigster Rück-
halt gegen alle kaiserlichen Angriffe, das Normannenreich in Süd-Jta-
lien, verloren und sogar in die Hände ihrer Gegner übergegangen. So
stand es jetzt zwischen Kaiser und Papst. Freunde und Helfer konnten
sie sich nicht mehr sein, sie waren nur noch eifersüchtige Nebenbuhler
und kämpften mit einander um die Weltherrschaft. So lange die Kreuz-
züge noch dauerten, lag die Weltherrschaft unbestritten in der päpst-
lichen Hand. Als Kaiser Friedrich und die Könige von Frankreich
und England nach Jerusalem aufbrachen, da erwies sich die gesammte
abendländische Christenheit noch einmal als ein großes einiges Ganze
unter der obersten Leitung des römischen Bischofs. Wie die Regimen-
ter eines gewaltigen Heeres strömten die Völker alle nach dem gleichen
angewiesenen Punkte hin, um nach dem Willen ihres Kriegsherrn, des
Papstes, wider die Feinde der Kirche zu kämpfen. Aber als die
Kampfeslust gebüßt war, da zeigte sich bald, daß auch der begeisterte
Gehorsam gegen den Papst vorüber war. Er mochte immer neue Auf-
TM Hauptwörter (50): [T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T56: [Papst Kaiser Rom Heinrich König Kirche Gregor Bischof Italien Papste], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T83: [Karl Heinrich König Otto Sohn Reich Kaiser Sachsen Ludwig Herzog], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T158: [Papst Kaiser Iii Vii Gregor Heinrich Rom Friedrich Italien Jahr], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T156: [Schlacht Sieg Feind Heer König Mann Kampf Tag Tapferkeit Franzose], T19: [Reich deutsch Kaiser Reiche Zeit Karl Jahr Ende Konstantin groß], T64: [Vater Sohn Jahr Tod Mutter Regierung König Kind Heinrich Bruder]]
Extrahierte Personennamen: Heinrich_Vi Heinrich Konrad_Iii Konrad Heinrich_I. Heinrich_I. Friedrich_I. Friedrich_I. Heinrich_Vi Heinrich Otto Heinrich Heinrich Friedrich Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Gottes Neapel Sicilien Süd-Jta- Frankreich England Jerusalem
Xxl §.12. Scheinbare Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen Papstic. 419
fassenden Thätigkeit das lautere Wort Gottes in die Häuser getragen
und den Herrn und Heiland in die Herzen des Volkes gepflanzt
hätten. Wir wollen auch nicht verkennen, daß inanche fromme Ge-
müther unter ihnen waren, die solchen Segen wirklich um sich verbrei-
teten. Allein das waren nur Ausnahmen. Die Regel war, daß die
bettelnden Mönche ihr Ansehen beim Volk und ihre Gewalt über die
Gemüther dazu gebrauchten, um Reichthümer für ihre Orden zusam-
menzubringen , um den crassen Aberglauben der Reliquien und Heili-
genverehrung, die Verdienstlichkeit der guten Werke, den Gehorsam
gegen die Anordnungen der Kirche zu steigern und jeden Widerspruch
gläubiger Einfalt und innerlicher Frömmigkeit sofort niederzuschlagen.
Die Dominicaner wurden mit der Zeit die ärgsten Ketzerrichter, aus
ihrer Mitte ging die blutdürstigste Inquisition hervor.
§. 12. Scheinbare Wiederherstellung des Gleichgewichts
zwischen Papst und Kaiser.
Als Innocenz Hi. gestorben war, konnte der junge kaiserliche
Adler, den er groß gezogen und dem er selber zuerst zum Flug ver-
holfen, desto kühner und unbehinderter seine Schwingen entfalten.
Denn der neue Papst Honorius Iii. (1216 — 27) war ein milder
nachgiebiger Mann, der sich durch die süßen Worte und Versprechun-
gen des jungen Kaisers Hinhalten und zur Ruhe sprechen ließ. Aber
eben hier beginnt schon unsere Klage, daß der durch Friedrich Ii.
erneute Glanz des deutschen Kaiserthums keineswegs so reiner und
Heller Art ist, wie wir es von einem deutschen Kaiser erwarten
dürften. Deutsche Treue, deutsche Tiefe und Einfalt des Gemüthes
finden wir bei diesem Friedrich nicht mehr. Von einer italieni-
schen Mutter geboren, hatte er neben den ausgezeichnetsten Anlagen und
Herrschertalenten, bei einer hinreißenden persönlichen Liebenswürdigkeit
doch so viel sicilianische List und Schlauheit und Zweizüngigkeit, so
viel einseitige Verstandesschärfe bei mangelnder Innigkeit und Gerad-
heit des Herzens, daß wir Anstand nehmen, ihn noch den unsrigen
zu nennen. Auch verbrachte er den größten Theil seines Lebens in
Italien. Dort in seinem wunderschönen sicilianischen Erbreich weilte
er am liebsten. Seinem Sohne Heinrich, den er zum deutschen
König hatte krönen lassen, später seinem Sohne Konrad überließ er
die deutschen Angelegenheiten fast allein. Nur selten*), nur wo das
Gewicht seiner kaiserlichen Autorität in die Wagschale gelegt werden
mußte, kam er über die Alpen. Dagegen verwandte er alle seine Kräfte
*) Nach 1220 hat er Deutschland nicht mehr betreten, außer ln den Jabren
123b. 36 und 37.
27*
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr]]
TM Hauptwörter (100): [T56: [Papst Kaiser Rom Heinrich König Kirche Gregor Bischof Italien Papste], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz]]
TM Hauptwörter (200): [T166: [Mann Volk Sitte Zeit Geist Tapferkeit Wesen Leben Sinn Charakter], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T19: [Reich deutsch Kaiser Reiche Zeit Karl Jahr Ende Konstantin groß], T58: [Kirche Lehre Luther Schrift Bibel Gott Christus Bischof Papst Wort], T3: [Hebel Last Brief Ende Gewicht Rolle Gleichgewicht Punkt Seite Fig]]
Extrahierte Personennamen: Innocenz_Hi Innocenz Honorius_Iii Honorius Friedrich_Ii Friedrich Friedrich Friedrich Heinrich Heinrich Konrad Konrad
TM Hauptwörter (50): [T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T31: [König Ludwig Karl Sohn Maria Frankreich Kaiser Tod England Philipp]]
TM Hauptwörter (100): [T7: [König Kaiser Rudolf Friedrich Sohn Böhmen Haus Karl Ludwig Albrecht], T99: [Frankreich Loire Stadt Rhone Gebirge Pyrenäen Paris Meer Garonne Lyon], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter]]
TM Hauptwörter (200): [T191: [Karl Sohn König Tochter Haus Kaiser Ludwig Herzog Tod Johann], T19: [Reich deutsch Kaiser Reiche Zeit Karl Jahr Ende Konstantin groß], T53: [Frankreich Stadt Loire Paris Rhone Garonne Maas Lyon Orlean Hauptstadt], T91: [Geschichte Krieg Zeit Zeitalter Mittelalter Revolution Reformation deutsch Jahrhundert Ende]]
Extrahierte Personennamen: Albrecht Albrecht Karl_der_Kühne Karl Nancy Karl Karl Maria_von_Burgund Maria Maximilian_von_Oestreich Maximilian
Extrahierte Ortsnamen: Ungarn Ungarn Wien Oestreich Deutschlands Italien Spanien Niederlande Ungarn Deutschland Frank- Frankreich Burgund Burgund Luxemburg Flandern Amiens Holland Friesland Lothringen Lothringen
Xxii. §. 14. Äliedererhebung Frankreichs rc. 471
Mäßigung und Nüchternheit, Vaterlandsliebe und Selbstverleugnung,
kurz aller jener patriarchalischen Tugenden, welche man an den früheren
Staaten des classtschen Alterthums bewundert. Aber wie war das
allmälig so anders geworden! Bald ward die schweizerische Eidgenos-
senschaft allen ihren Nachbarn furchtbar und widerwärtig, nicht so
sehr durch ihren Waffenmuth und ihre Unwiderstehlichkeit, als viel-
mehr durch ihren Uebermuth, ihre Fehdelust, ihre Herrschsucht, ihre
Nichts achtende Rücksichtslosigkeit, wo es galt, den eignen Vortheil zu
wahren. Schon begannen sie, trotzend auf ihren Kriegsruhm, auch
über ihre Landesgrenzen hinauszugehen, um in fremdem Sold, für
fremdes Interesse, eine käufliche Schaar, gegen fremde Feinde zu fech-
ten. Da hatte sie Frankreich gefangen. Von aller Verpflichtung
gegen Deutschland wußten sie sich loszumachen. Sie wollten we-
der zur Reichssteuer noch zum Reichsaufgebot künftig mehr zugezogen
werden, unter den höchsten deutschen Gerichtshof wollten sie sich nicht
stellen. Dagegen mit Frankreich hatten sie bereits 1474 jenenver-
hängnißvollen Vertrag geschlossen, wonach sie ihre gesammte Jugend
für hohe Kaufsummen und Jahrgelder in den Dienst des französischen
Königs verkauften. Von jetzt ab sehen wir die abtrünnigen Söhne
des deutschen Reichs nicht bloß im Innern Frankreichs gegen die
Feinde der französischen Krone, sondern auch draußen in Frankreichs
Solde gegen ihre deutschen Brüder fechten. Nachdem sie 1491 Kö-
nig Karl Viii. auf seinem Eroberungszuge nach Neapel begleitet
haben, helfen sie Ludwig Xu. das deutsche Reichslehen Mailand
und Genua gewinnen und Venedig demüthigen. Dann wandten sie
sich einen Augenblick von dem allzu sparsamen König ab und verkauf-
ten sich an den kriegerischen Papst Julius Ii., der ihnen größere
Summen bot, um gegen die Franzosen zu kämpfen. Nach einiger
Zeit ließ ein Theil von ihnen sich doch wieder von Frankreich gewin-
nen, während der andere Theil noch auf Seiten der Gegner blieb.
Schon fochten unter den entgegengesetzten Bannern Schweizer gegen
Schweizer. Die einst so freiheitsftolzen Söhne des Gebirges ließen
für Geld sich herbei, den Gladiatorensklaven der Römer gleich, nach
dem Befehl ihrer fremden Herren das eigne Blut im Bruderkampf
wider einander zu verspritzen.
Die Wiedererhebung Frankreichs aus dem tiefen Verfall, in wel-
chen die englischen Kriege es gestürzt hatten, beginnt mit den letzten
Jahren König Karl's Vii. Durch etliche wohlgewählte und klug
vollendete Einrichtungen stellte er die französische Königsmacht, und
damit die Macht ganz Frankreichs wieder auf eine Höhe, zu der die
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T96: [Ludwig Karl König Frankreich Kaiser Xiv Napoleon Krieg Franz Italien], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden], T59: [Heer Mann Soldat Krieg Jahr Offizier Land König Truppe Waffe]]
TM Hauptwörter (200): [T16: [König Heinrich Karl Frankreich Neapel Sohn England Philipp Herzog Bruder], T155: [Soldat Krieg Heer Land Mann Truppe König Waffe Geld Feind], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T166: [Mann Volk Sitte Zeit Geist Tapferkeit Wesen Leben Sinn Charakter], T19: [Reich deutsch Kaiser Reiche Zeit Karl Jahr Ende Konstantin groß]]
Extrahierte Personennamen: Karl_Viii Karl Ludwig_Xu Ludwig Julius_Ii
Extrahierte Ortsnamen: Frankreichs Frankreich Deutschland Frankreich Frankreichs Frankreichs Neapel Mailand Genua Venedig Frankreich Frankreichs Frankreichs
43g Xxii. §. 3. Deutschlands Wiedererhebung aus tiefster Verwirrung.
mächtigen Herrn und wirklichen Obern mehr über sich leiden woll-
ten, zwei Fremdlinge zu gleicher Zeit zu deutschen Königen erhoben
wurden, der gelehrte Alfons von Cast i lien und der reiche Ri-
chard von Cornwallis — da ging auch die letzte Spur einer
wirklichen Königsgrwalt in Deutschland verloren. Freilich regiert
haben diese fremden Fürsten, von denen der eine niemals, der
andere nur auf kurze Zeit den deutschen Boden betrat, genug und
übergenug in Deutschland. Besonders Richard bat genug Befehle
erlassen, Urkunden ausgestellt, Schenkungen gemacht, Rechte verliehen,
aber Alles auf Kosten des Reichs und zur Verminderung der könig-
lichen Macht- Alle königlichen Vorrechte kamen nach und nach in
die Hände untergeordneter Gewalten; die vornehmeren Fürsten wur-
den so gut wie selbständig, und die geringeren wollten nicht Zurück-
bleiben. Wie die Herzöge, Markgrafen, Landgrafen u. s. tt)., so wur-
den auch die Bischöfe und Aebte reichsunmittelbar, d. h. sie galten
selber als Herzöge und hatten die Grafenrechte in ihrem Gebiete,
ohne daß irgend ein Höherer über ihnen gestanden hätte, außer dem
König. Ja auch einzelne Genossenschaften, Vogteien und Städte er-
langten dieselben Rechte. Alle organische Gliederung des Lehenreiches
hörte auf, es blieb nur eine große Menge gleichberechtigter Fürsten
und Stände neben einander. Aber in dem Uebermaß des Nebels lag
auch die Noihwendigkeit und das Mittel der Heilung. So konnte
es, das fühlte Jeder, nicht länger fortgehen, die „kaiserlose schreckliche
Zeit" mußte ein Ende nehmen. Und wunderbar lenkte der Herr die
Herzen der Wähler, als sie 1273 in Frankfurt zusammentraten,
um den deutschen Landen ein neues Oberhaupt zu geben. Sie
wollten einen ja nicht allzu mächtigen Mann, der ihnen mit dem
vollen Nachdruck königlicher Machtfülle hätte entgegentreten können,
und erwählten — Rudolf von Habsburg. Gerade dieser Mann
aber war es, der nach Gottes wunderbarem Rathschluß nicht bloß
dazu bestimmt war, eine neue, bessere Zeit über Deutschland herbei-
zuführen, sondern auch jenes große und ruhmvolle Reich zu gründen,
welches deutsche Sitte und Bildung bis tief in den fernen Osten
verbreiten und Jahrhunderte hindurch die festeste Stütze unseres Va-
terlandes sein sollte.
An der biedern und frommen Heldengestalt Rud olf's von Habs-
burg erwärmt sich wieder unser deutsches Herz. Das war ein Fürst
von altem Schrot und Korn, ein Muster deutscher Redlichkeit und
Treue, nüchtern, ernst, besonnen, strenggerecht und doch so mild, freund-
lich und herablassend. Sein Andenken ist in unzähligen Liedern und
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T7: [König Kaiser Rudolf Friedrich Sohn Böhmen Haus Karl Ludwig Albrecht], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T73: [Stadt Schloß Augsburg Grafe Nürnberg Reichsstadt Bischof Sitz Regensburg Fürst]]
TM Hauptwörter (200): [T80: [Kaiser Stadt Fürst Recht Reich König Reichstag Macht Adel Fürsten], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T19: [Reich deutsch Kaiser Reiche Zeit Karl Jahr Ende Konstantin groß], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm]]
Extrahierte Personennamen: Alfons_von_Cast Cornwallis Rudolf_von_Habsburg Rudolf
Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Deutschland Deutschland Frankfurt Gottes Deutschland
500 Xxiii. §. 7. Bekenritniß und Bündniß der Evangelischen.
zertreten; ihnen ist nur wohl unter den Ruinen zerstörter Herrlichkeit,
sie gedeihen nur in verwüsteten, zu Grunde gerichteten Ländern. Und
diese Unholde hatten angefangen, auch unser deutsches Vaterland zu
bedrohen. Schon war Ungarn ihre Beute geworden. Auf dem
Schlachtfelde von Mohacz hatte der letzte König aus Dem Stamm der
Jagellonen (1526) fein Leben verloren. In Ofen hatte der stolze
Sultan Soliman eine Zeitlang seinen Sitz genommen; den ehrgeizi-
gen und gewissenlosen Johann Zapolpa, den Fürsten von Sieben-
bürgen, hatte er zu seinem Vertreter und Statthalter in Ungarn ein-
gesetzt. Da nun aber König Ferdinand sich die ungarische Krone
auf's Haupt zu setzen wagte, brach der zürnende Großherr mit
seinen Hunderttausenden wieder hervor aus seiner Hauptstadt, über-
schwemmte und verwüstete Ungarn unv lagerte sich im Herbst 1529
vor Wien. Da gerieth das ganze deutsche Volk in Schrecken. Die
Protestanten, obgleich sie eben erst auf dem Reichstag zu Speier vom
König Ferdinand und seinen Rathen so ungnädig behandelt und aus
dem Friedeil des Reichs ausgeschlossen waren, vereinigten ihre Fähnlein
und ihr Geschütz mit den Katholischen, um die „fremden Teufel" die
Donau hinunterzujagen. Und schon hatten die Janitscharen vor Wien's
Mauern den Muth verloren. Wie oft hatten sie gestürmt und waren
immer mit schwerem Verlust zurückgeworfen. Soliman sah, daß ihm
hier seine Grenze gesetzt sei, und wich zurück. Aber schon 1532 be-
wegte er sich mit größeren Heeresmassen abermals gegen die deutschen
Grenzen. Kurz vorher war, wie wir wissen, der Reichstag zu Augs-
burg gehalten, der sch m alkald i sch e Bund geschlossen; das deutsche
Reich war in einer schweren Spaltung begriffen. Soliman hatte
darauf gerechnet, die Deutschen wider einander zu Felde liegend zu
finden; er meinte, dies Mal würde kaum ein Grenzhüter da sein, ihm
Widerstand zu leisten. Wie hatte er sich verrechnet! Daö größte und
schönste Heer, welches Deutschland seit geraumen Jahren aufgebracht,
stand ihm gegenüber. Er wagte nicht es anzugreifen. Nach wenigen
Versuchen, in Steiermark einzudringen, um dort zu plündern, hatte er
sich entschlossen, zurückzugehen, ohne auch nur das Mindeste von seinen
großen Entwürfen in's Werk gesetzt zu haben. Woher nun diese Kraft
und Einigkeit der Deutschen? Nicht durch die Nachgiebigkeit der katho-
lischen Fürsten; die wollten wenigstens das gerichtliche Verfahren gegen die
Protestanten durchaus beibehalten wissen, mochte auch das Reich dar-
über zu Trümmern gehen. Es war vielmehr die Besonnenheit des Kai-
sers, welcher auch den Unwillen der katholischen Fürsten nicht scheute, als
die Noth de§ Augenblicks eine größere Nachgiebigkeit gegen die Prote-
stanten forderte, und es war die Vaterlandsliebe der Protestanten, die
nach Luther's ernster und begeisterter Aufforderung sich wie Ein Mann
gegen die Türken aufmachten, ohne mit berechnender Klugheit die schwie-
rige Lage des Kaisers und seines Bruders zu benutzen, um mehr als
Sicherheit, Ruhe und Frieden von ihnen zu begehren. Sie waren zu-
frieden, wenn sie geduldet wurden.
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich]]
TM Hauptwörter (100): [T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T86: [Kaiser Protestant Katholik Fürst Kurfürst Land Kirche Karl Reichstag Krieg], T67: [Kaiser Türke König Jahr Ungarn Heer Land Friedrich Kreuzzug Jerusalem], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T88: [Türke Ungarn Krieg Rußland Kaiser Sultan Wien Jahr Frieden Polen], T40: [Protestant Kaiser Kirche Katholik Reichstag Jahr Lehre Reformation Augsburger Land], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T166: [Mann Volk Sitte Zeit Geist Tapferkeit Wesen Leben Sinn Charakter], T19: [Reich deutsch Kaiser Reiche Zeit Karl Jahr Ende Konstantin groß]]
Extrahierte Personennamen: Mohacz Soliman Johann_Zapolpa Johann Ferdinand Ferdinand
Extrahierte Ortsnamen: Ungarn Ungarn Wien Donau Deutschland
Xxiii. Z. S. Hemmungen und Spaltungen in Deutschland und der Schweiz. 491
der Hakenbüchse der Fußsoldaten nicht mehr Stand. Aber jetzt eben
stellte sich dem schweizerischen Fußvolk ein deutsches entgegen. Der
deutsche Lanzknecht erscheint, zumeist vom Pstuge her oder aus der
Werkstatt; um Sold dient auch er; wo die Trommel gerührt wird,
da stellt er sich ein, empfängt sein Laufgeld und folgt der Fahne in das
fremde Land; vielleicht kehrt er mit Beute beladen wieder heim. Aber
er dient nicht jedem Fremdling. Seinen deutschen Führern folgt er,
im Dienst seines deutschen Fürsten. Georg und Caspar Frunds-
berg, Sittich, Reisach, das sind die Namen der deutschen Helden,
Führer der Lanzknechte, welche für Karl V. Mailand eroberten, die
Franzosen und Schweizer bei Bicocca zurückwarfen, König'franz I.
bei Pavia besiegten. Neben ihnen glänzen die Namen von Karl's
italienischen und spanischen Feldherren Colon na, Lannoy, Pes-
cara, Leyva. Fast ist es uns leid, diesen edlen Namen auch noch
den eines französischen Berräthers anreihen zu müssen, des Karl von
Bourbon. Er wollte dem Kaiser das ganze südöstliche Frankreich in
die Hände spielen. Aber der Berrath trug schlechte Frucht. Der
Berräther mußte fliehen und Kaiser Karl's Heer wurde aus Frank-
reich zurückgedrängt. Desto glücklicher und erfolgreicher kämpfte er in
Italien. Bei Pa via wurde Fra nz I. selber gefangen (1525). Der ritter-
liche, bisher von hellem Siegesruhm umstrahlte König ward nach Ma-
drid gebracht zu diesem jungen Kaiser, der damals noch kaum das
Schwert gezückt, im Rath, wie im Felde unerfahren schien, dessen Mi-
nister für ihn regierten und dessen Feldherren für ihn glorreiche Siege
gewannen.
§. 5. Hemmungen und Spaltungen in Deutschland und
der Schweiz.
Wäre das deutsche Reformationswerk in dem vorhin geschil-
derten gedeihlichen Fortgang geblieben, so wäre unser edles Volk nim-
mermehr durch jenen tiefen Riß zerspalten worden, der ihm jetzt mit-
ten durch das innerste Mark des Lebens geht. Nimmer wäre Deutsch-
land in eine katholische und eine evangelische Hälfte auseinandergefal-
len. Daß es dennoch geschehen ist, ist das Werk des Papstes, ist die
geheime List des päpstlichen Abgeordneten, der gleich nach jenem Reichs-
tag von 1524 etliche süddeutsche Fürsten zu einem katholischen
Bündniß überredete, und die Wirkung päpstlicher Anmahnungen an
den Kaiser, wonach dieser die angekündigte deutsche Kirchenversamm-
lung gänzlich und bei schwerer Strafe untersagte. So wurde durch
päpstlichen Einfluß die deutsche, der Reformation zugewandte Einhel-
ligkeit zerstört. Mit großen Opfern wurden jene abtrünnigen Fürsten
erkauft. Kirchliche Rechte, welche sonst der Papst um keinen Preis
würde aus den Händen gegeben haben, wurden jetzt diesen Herzogen
von Bayern zugestanden. Sie durften Bischöfe absetzen und einsetzen,
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr]]
TM Hauptwörter (100): [T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden], T86: [Kaiser Protestant Katholik Fürst Kurfürst Land Kirche Karl Reichstag Krieg], T59: [Heer Mann Soldat Krieg Jahr Offizier Land König Truppe Waffe], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T56: [Papst Kaiser Rom Heinrich König Kirche Gregor Bischof Italien Papste]]
TM Hauptwörter (200): [T155: [Soldat Krieg Heer Land Mann Truppe König Waffe Geld Feind], T197: [Italien Mailand Stadt Rom Venedig Neapel Republik Kaiser Genua Sardinie], T19: [Reich deutsch Kaiser Reiche Zeit Karl Jahr Ende Konstantin groß], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T112: [Schwert Ritter Schild Waffe Lanze Pferd Speer Hand Helm Pfeil]]
Extrahierte Personennamen: Georg Caspar_Frunds- Karl_V._Mailand Karl_V. Leyva Karl_von
Bourbon Karl
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Schweiz Bicocca Pavia Lannoy Frankreich Frank- Italien Deutschland Schweiz
Xxiv. §.11. Das Ende der Gegenreformationen rc.
555
genen Blicken ein neuer Hoffnungsstern für Deutschlands Zukunft
auf. In Brandenburg war 1640 der große Hohenzoller Friedrich
Wilhelm hervorgetreten, den man mit Recht den großen Kurfürst
genannt hat. Er fand sein Kurfürstenthum in einem Zustande, daß
es fast unmöglich schien, dies ausgemergelte, bis auf den letzten Tropfen
ausgesogene, aller seiner Reichthümer und der Hälfte seiner Bewohner
beraubte Land noch wieder zu einem wirthlichen und mächtigen Reichs-
gebiet zu machen. Friedrich Wilhelm übernahm diese Aufgabe
und hat ste durchgeführt. Er begann mit der Bildung eines eignen
festbesoldeten, wohlgeschulten Heeres, welches den Schweden wie den
Kaiserlichen, die in gleichem Frevelmuth im Brandenburgischen zu Hausen
pflegten, Achtung gebot. Dann schloß er einen Waffenstillstand mit
den Schweden und brachte, während die übrigen deutschen Länder noch
unter der blutigen Geißel des Krieges seufzten, allmälig Ruhe und
Ordnung in sein zerrüttetes Land zurück. Er wußte Ostpreußen,
welches er noch von Polen zu Lehen trug, in ein unabhängiges Besitz,
thum zu verwandeln und verband es mit Brandenburg und mit Ven
westlichen Provinzen Cleve, Mark und Ravensberg, sammt den im osna-
brückschen Frieden gewonnenen Stiftern Minden, Halberstadt und Mag-
deburg nebst Hinterpommern durch weise Einrichtungen zu einem
Staatsganzen, welches allmälig zu dem Ansehen und der Selbständig-
keit einer europäischen Großmacht sich entwickeln sollte. Kraft, Frische,
Gedeihen, Erneuerung des Wohlstandes, eine Achtung gebietende
Macht zu Lande und zur See, das Alles finden wir in Friedrich
Wilhelm's Gebieten, wie sonst nach dem dreißigjährigen Kriege in
keinem deutschen Lande weiter. Er ist aber nicht bloß der Gründer
der preußischen Größe, sondern auch der Wiederhersteller deutscher
Ehre. Denn er war der einzige und der erste deutsche Fürst, welcher
den übermüthigen Schweden und Franzosen wieder nachdrückliche Be-
weise deutscher Tapferkeit und Kriegsüberlegenheit gab, so am Rhein,
so in Polen, vor Warschau, ganz absonderlich aber in der ruhmreichen
Schlacht bei Fehrbellin 1675.
§. 11. Das Ende der Gegenreformationen und der re-
ligiösen Bedrückungen.
Der dreißigjährige Krieg, sahen wir, war keineswegs ausschließlich
oder auch nur vorzugsweise ein Religionskrieg gewesen. Eben so sehr,
ja mehr noch war er von allem Anfang an ein Kampf um die kai-
serliche Macht, dann ein Kampf um den schwedischen Einfluß, endlich
ein ganz gewöhnlicher Räuberkrieg, wo es sich um Nichts weiter han-
delte, als dem Feinde einen Strich Land abzugewinnen. Schon gleich
anfangs, mehr noch gegen das Ende hin dienten im kaiserlich wallen-
steinischen Heer ebensoviel Protestanten, wie im mansfeldischen und
anhaltischen Heerhaufen Katholiken. Nach Gustav Adolf's Tode
wurde das wilde Durcheinander noch allgemeiner und ärgerlicher,
am Ende kam's so weit, daß in den meisten Gefechten Katholiken auf
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T2: [Schweden Friedrich Heer Schlacht Sachsen König Gustav Kaiser Krieg Schlesien], T47: [Friedrich Wilhelm Kaiser König Iii Kurfürst Jahr Preußen Brandenburg Johann]]
TM Hauptwörter (100): [T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T44: [Sachsen Provinz Preußen Königreich Hannover Bayern Staat Hessen Baden Land], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T85: [Friedrich Schlacht Heer Sachsen Schlesien Sieg König Böhmen Feind Kaiser]]
TM Hauptwörter (200): [T44: [Preußen Polen Brandenburg Provinz Land Schlesien Sachsen Pommer Friedrich Schweden], T30: [Gustav Schweden Adolf Wallenstein Kaiser Heer Tilly König Krieg Schlacht], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T19: [Reich deutsch Kaiser Reiche Zeit Karl Jahr Ende Konstantin groß]]
Extrahierte Personennamen: Friedrich
Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich
Wilhelm's Friedrich Gustav_Adolf's Gustav
Xxv. §. 8. Napoleon, die Geißel Gottes über die Welt. 603
der aufzurichten. Es ließ sich auch einen Augenblick so an. Napo-
leon schien im eignen Lande so viel zu thun zu finden, durch Her-
stellung einer kräftigen Ordnung in allen Provinzen so in Anspruch
genommen, daß er selber für jetzt gar keinen Krieg wünschen konnte.
Und doch, wie hätte zwischen dem anmaßlichen Emporkömmling Na-
poleon und der allezeit im Trüben fischenden Handelspolitik Eng-
lands ein dauernder Friede bestehen können? Wie hätten die übri-
gen Mächte, namentlich Oestreich und Rußland, bei dem wieder aus-
gebrochenen Kriege längere Zeit müßige Zuschauer bleiben können?
Schon 1803 brach der englisch-französische Krieg wieder aus, und da
die französischen Flotten nicht im Stande waren, dem englischen Jnselreich
nahe zu kommen, so mußte die Landarmee gegen Hannover mar-
schiren, denn die Kurfürsten von Hannover saßen seit 1714 auf dem
englischen Königsthron. Daß er damit das Gebiet und die Rechte
des deutschen Reichs verletzte, kümmerte den Consul natürlich gar nicht.
Denn das deutsche Reich eristirte in seinen Augen gar nicht mehr
(vollends nach den Schlachten von Ulm und Austerlitz und dem Frie-
den zu Preßburg 1805), oder diente ihm nur zum erwünschten Spiel-
raum für die große Scheere, mit der er stets geschäftig war, die Län-
der nach einem neuen Muster zuzuschneiden und eine neue geogra-
phische Mode aufzubringen. Und Rechte? Wo hätte sich jemals
Napoleon um Rechte bekümmert? Er kannte weder göttliche noch
menschliche Rechte, er kannte nur seine Laune, seinen Ehrgeiz, seinen
Vortheil, seine Willkür, er war, so möchte man sagen, die fleischge-
wordene Selbstsucht in eigner Person. Mit festem Schritte stieg er
soeben die Stufen des Thrones hinan, nach welchem seine Herrsch-
gier schon so lange getrachtet hatte. Schon 1802 hatte er sich zum
lebenslänglichen Eonsul ernennen lassen, aber der Titel genügte ihm
noch nicht. Es mußte etwas Glänzendes, Ungewöhnliches, Seltsames
sein, womit er die Franzosen köderte, den Pöbel aller Länder blendete,
die Mächtigen lähmte und über Alles, was sonst auf Ehrfurcht und
Gehorsam auf Erden Anspruch machte, sich kühnlich hinweghob. So
redete er denn seinen Soldaten und Unterthanen vor, das Königthum
sei für immer abgeschafft; denn das Königthum sei Tyrannei, Will-
kürherrschaft, Knechtung der Völker. Aber das Kaiserthum, das sei
die rechte Freiheit, Wohlstand, Macht, Ehre; kurz, alle Glückseligkeit
der Völker liege iin Kaiserthum, wohlgemerkt, in Na pol con's Kai-
serthum verschlossen. Und dann ließ er sich von den wedelnden und
schmeichelnden Speichelleckern förmlich bitten, wie um eine große Gunst,
daß er doch Frankreich zu dem Gipfel alles Glückes emporheben und
TM Hauptwörter (50): [T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T74: [Frankreich England Spanien Krieg Frieden Rußland Italien Holland Preußen Deutschland], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T103: [England Krieg Frankreich Spanien Franzose Engländer Flotte Jahr Holland Frieden], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T19: [Reich deutsch Kaiser Reiche Zeit Karl Jahr Ende Konstantin groß]]
Extrahierte Personennamen: Napoleon Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Gottes Hannover Hannover Ulm Frankreich